Tausende Jugendliche im Land Bremen suchen vermutlich einen Ausbildungsplatz, werden aber von den Jobcentern nicht als ‚Bewerber*innen‘ geführt, weil sie als ‚nicht ausbildungsreif‘ abqualifiziert werden. Die Betroffenen erhalten dann keine Vermittlungsangebote von der Arbeitsagentur und tauchen nicht in der Ausbildungsplatzstatistik auf. Wie die Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der LINKEN „Einstufung von Jugendlichen als ‚nicht ausbildungsreif‘ durch die Jobcenter“ zeigt, verwendet die Arbeitsagentur in Bremen und Bremerhaven bei der Einstufung unverändert den Kriterienkatalog des ‚Nationalen Pakts für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs‘ von 2006, an dessen Zustandekommen weder Gewerkschaften noch Jugendvertretungen beteiligt waren. Dazu erklärt Miriam Strunge, ausbildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE:
„Es ist unglaublich, dass Jugendliche mit einem willkürlichen und völlig unscharfen Kriterienkatalog, der den Geist des 19. Jahrhunderts atmet, aus der Statistik der Ausbildungsbewerber*innen gestrichen und von vorneherein aus dem Ausbildungsmarkt herausgedrängt werden. Zu den ‚Beispielsfragen‘, mit denen die Sachbearbeiter*innen die ‚Ausbildungsreife‘ ermitteln sollen, gehören allen Ernstes Fragen wie: ‚Übernehmen Sie in Ihrer Klasse Sonderaufgaben z.B. Klassensprecher, Klassenbuchführer, Kakaodienst, Schülerlotsen etc.?‘ – ‚Haben Sie schon mal eine Klassenfahrt mitorganisiert?‘ – ‚Schreiben Sie sich alles auf, wenn Sie einkaufen gehen?‘ – ‚Wann machen Sie Ihre Hausaufgaben, direkt nach der Schule oder brauchen Sie zuerst eine Pause?‘. Zu den angeblich unverzichtbaren Voraussetzungen der ‚Ausbildungsreife‘ gehört, dass Bewerber*innen räumliche Geometrieaufgaben lösen, eine Maschinenzeichnung verstehen und ‚höflich, respekt- und rücksichtsvoll‘ wirken. Wohlgemerkt: völlig unabhängig vom konkreten Berufswunsch. Schlechte Schulnoten können genauso zum Aus führen wie unentschuldigte Fehlzeiten im Zeugnis. Ich hätte nicht geglaubt, dass dieser Katalog im Land Bremen noch zum Einsatz kommt.“ (mehr …)